Ein exemplarischer Entwicklungsprozess

Wie lässt sich die Planung eines neu entstehenden Dorfes sozial und ökologisch nachhaltig gestalten? Das erforschen wir am Beispiel des Zukunftsorts Gut Boltenhof.

Ein zukunftsfähiger Lebens- und Arbeitsort

Gut Boltenhof, ein ländlicher Hotel- und Gastbetrieb mit angeschlossener Landwirtschaft – und bereits jetzt Zukunftsort in unserem Netzwerk, will sich zu einem lebendigen, zukunftsfähigen Lebens- und Arbeitsort entwickeln. Im Entwicklungsprojekt “Vom Hof zum Dorf” soll ein exemplarischer Prozess durchlaufen und im Rahmen partizipativer Workshop-Formate die konkrete Bauplanung vorbereitet werden. Am Ende des Modell-Prozesses soll nicht nur das Konzept für einen auf sozialen Zusammenhalt, Klimagerechtigkeit und Innovation ausgerichtetes Ort entstanden sein. Auch der Prozess selbst soll transparent gemacht werden und zeigen, welche Rahmenbedingungen es braucht, damit das Projekt eine echte Chance auf Erfolg und nachhaltige Wirkung hat. Die Ergebnisse werden digital dokumentiert und in einer Abschluss-Veranstaltung vor Ort präsentiert.

Baukultur leben

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Ein Projekt im Rahmen des Themenjahres »Baukultur leben – Kulturland Brandenburg 2023«

Kann man ein Dorf partizipativ gestalten? Wie gehen ökologische Nachhaltigkeit und Bewohner-Bedürfnisse mit finanzieller Tragfähigkeit zusammen? Welche Ziele, Werte und Rahmenbedingungen braucht es dafür?

Ein neues Verständnis von Baukultur   2018 hat die Kulturministerkonferenz der Europäischen Länder in einer gemeinsamen Erklärung ein neues Verständnis von Baukultur definiert. Demnach sei Baukultur die Summe der menschlichen Tätigkeiten, welche die gebaute Umwelt verändern. Menschen haben seit jeher die Welt um sich herum gestaltet, verändert und zu ihren Gunsten geformt. Diese Veränderungen hielten Einzug in das kulturelle Erbe, das wiederum die nachfolgenden Generationen bis heute prägt.

Das Themenjahr    Gemeinsam mit der Baukulturinitiative Brandenburg ruft die Brandenburgische Gesellschaft für Kultur und Geschichte das Themenjahr Baukultur leben – Kulturland Brandenburg 2023 aus und regt damit die Auseinandersetzung mit der Frage an, wie wir zukünftig in Brandenburg leben wollen. Daran beteiligen wir uns mit dem exemplarischen Entwicklungsprozess "Vom Hof zum Dorf" und steuern damit ein Beispiel für eine gemeinwohlorientierte Immobilienentwicklung bei, die Baukultur als soziale, ökologische und ästhetische Praxis ernst nimmt.

Das Projekt

Gut Boltenhof liegt 70 km entfernt von Fürstenberg a.d. Havel und bildet zusammen mit 11 Häusern in der Nachbarschaft – ehemalige Landarbeiter-Häuser – eine kleine Ortschaft. Der Hof wurde durch den Eigentümer Jan-Uwe Riest seit 2016 vom elterlichen Bauernhof mit Gästewohnungen zu einem idyllisch gelegen, sensibel gestalteten hochwertigen Hotel mit Gästewohnungen und Zweitwohnsitzen entwickelt. Der kleiner ökologische Landwirtschaftsbetrieb erzeugt das Fleisch für die hofeigene Gastronomie und den Hofladen. Nun wollen die Eigentümer*innen das touristische Projekt erweitern und daraus einen generationenübergreifenden festen Wohn-, Arbeits- und Lebensort für Viele machen. Lebensqualität, kulturelle Teilhabe und eine dörfliche Infrastruktur sollen im Zentrum stehen. Bis 2035 sollen dazu 7 historische Gebäude saniert werden und 5 Neubauten entstehen, in denen um die 100 Menschen Platz haben, Gäste nicht mitgezählt. Mit dem Ziel, einen echten gemeinwohlorientierten Zukunftsort zu schaffen, befinden sich die Besitzer*innen derzeit in der Vorplanung.

Ziel ist es, herauszufinden, wie sich die Grundbedingungen für die Entwicklung eines lebendigen Ortes schaffen lassen, der Wohnen und Arbeiten mit Zusammenhalt, Klimagerechtigkeit, Lebensqualität und finanzieller Tragfähigkeit verbindet. In einem exemplarischen Prozess soll getestet werden, wie sich die partizipative Planung eines solchen Ortes als Vorbereitung für die bauliche Planungsphase organisieren lässt. Im Modell-Prozess sollen anhand konkreter Workshops Bedürfnisse und Informationen zusammen getragen und Kriterien sowie Vereinbarungen erarbeitet werden. Diese gehen in die anschließende Architektur- und Bauplanung sowie der Organisation des Entwicklungsprojekts ein, so dass im Ergebnis ein Ort entsteht, der nicht nur optimal an die Bedürfnisse der Bewohner und Nutzer*innen angepasst ist, sondern dessen Funktionsweise die ständige Adaption an künftige sich ändernde Bedürfnisse beinhaltet. Die Dokumentation des modellhaften Prozesses soll zusammen mit den daraus entstandenen Ergebnissen späteren Gründer*innen und Projektentwickler*innen als Inspiration und mögliche Vorlage dienen.

Workshop #1 | Visionsfindung

Das Was, Wie und vor allem das Warum werden in diesem Workshop geklärt und daraus ein anschlussfähige Vision, inklusive definierter Werte, erstellt. Diese dient gleichermaßen der Akquise von Partner*innen und künftigen Bewohner*innen, als auch als Leitplanke für künftige strategische und bauliche Entscheidungen.

Teilnehmende: Gründer*innen und wichtige Partner

Workshop 2# | Kriterien für bedarfsgerechte Architektur

In diesem Workshop werden die Nutzungsanforderungen im Einklang mit der entstandenen Vision und den Bedürfnissen der verschiedenen künftigen Zielgruppen erarbeitet. In einer vorangehenden Recherche-Phase werden diese Bedürfnisse anhand von Interviews mit Expert*innen und Stellvertreter*innen für künftige Nutzer*innen im Vorfeld ermittelt und fließen in den Workshop ein. 

Teilnehmende: Gründer*innen, Architekt, Expert*innen

       

Workshop #3 | Stakeholder*inneninvolvieren

Alle bereits bekannten Stakeholder*innen werden zu diesem Workshop zusammen gebracht: Personen, die ein Interesse an der Mitentwicklung an oder Nutzung des Projekts haben, wichtge Schlüsselpersonen und Entscheider*innen aus dem Umfeld und der Region werden eingeladen.
Nach der Vorstellung von Vision und der Architektur-Ansatz werden sowohl die Bedürfnissen zur räumlichen, inhaltlichen und organisatorischen Gestaltung abgefragt sowie Anforderungen an Partizipation, Synergien, Transparenz und Kommunikation besprochen. Ergebnis entsteht eine Karte der Bedürfnisse und Anforderungen für die weitere Projektentwicklung.

Teilnehmende: Gründer*innen, Vertreter*innen aus Gemeinde/Kommune, lokale/regionale Akteure, bisherige Projektpartner*innen, bestehende Bewohner*innen, Mitarbeiter*innen, Vertreter*innen aus unterstützenden Institutionen und Netzwerken

Workshop #4 | Teilhabe ermöglichen

In diesem Workshop sollen die Grundlagen für das Zusammenleben und -arbeiten im Dorf erarbeitet werden. Dazu werden gemeinsame Werte in Bezug auf des Projekt und Zusammenleben ermittelt, bisherige Rollen und Verantwortungen im Projekt sichtbar gemacht und erste Sichtweisen auf Teilhabemöglichkeiten skizziert. Ergebnis soll eine Empfehlung für die weitere Entwicklung des Teilhabe- und Gruppenprozesses sein.

Teilnehmende: Gründer*innen, bisherige Projektpartner*innen, bestehende Bewohner*innen, Mitarbeiter*innen, Impulsgeber*innen aus anderen Wohn- und Arbeitsprojekten

Das im Prozess entstehende Konzept soll im Rahmen des Projekts via Webseite und Booklet für die Öffentlichkeit visualisiert werden. Auch der Modell-Prozess selbst soll im Rahmen der Zukunftsorte Wissensplattform dokumentiert und sichtbar gemacht werden. Das Projekt mündet in einer öffentlichen Veranstaltung auf Gut Boltenhof, die im Rahmen einer Ausstellung im Herbst die Ergebnisse des Modellprozesses auf Ausstellungstafeln präsentiert. Auch sollen das Konzept und der Prozess präsentiert und mit den Teilnehmer*innen diskutiert werden sowie verschiedene Expert*innen zu Wort kommen. Die Veranstaltung wird als Teil des Programms des Themenjahres geplant.

Das Netzwerk Zukunftsorte setzt das Modellprojekt zusammen mit dem Gründer und Hofbesitzer Jan-Uwe Riest um. Mithilfe der Förderung kann das Netzwerk den Entwicklungsprozess konzipieren und begleiten, das gesammelte Wissen und die Kontakte des Netzwerks und der Zukunftsorte einbringen, Experten vermitteln und den Prozess sichtbar machen. Der Gründer bringt als Entwickler und Umsetzer seine Vision und Ideen ein und trägt die Verantwortung und finanzielle Last der Gesamtentwicklung.

Jan-Uwe Riest erlebte Kauf und Betrieb von Gut Boltenhof nach der Wende durch seine Eltern. Mit seinem beruflichen Hintergrund im Marketing-Bereich hat er seit der Übernahme das Gut zum innovativen Urlaubsort gemacht, der als Vorzeige-Projekt der Brandenburger Tourismus-Szene gilt. Gut vernetzt und motiviert, will er auf dem Gelände nun verstärkt gesellschaftliche Werte schaffen.

 - Foto: Lena Heiß

Jan-Uwe Riest: Unternehmer, Gastronom, Bauer und Bauherr in einem.

 | Foto: Lena Heiß

Prozess-Dokumentation


Im ersten Workshop ging es darum, anhand einer Vision/Mission Leitplanken für die weitere Projektentwicklung zu setzen. Dabei orientierten wir am “Golden Circle” nach Simon Sinek, in dem zunächst das Warum geklärt wird – also die Motivation und übergeordnete Zielsetzung –, dann das Wie – also die Haltung und Werte, die dem Handeln zugrunde liegen – und zuletzt das Was, welches sich in den einzelnen Maßnahmen spiegelt. Über die Nutzung assoziativer Bilder fanden wir alsbald zu konkreten Sätzen, welche wir auf vier Leitsätze reduzierten und welche die wichtigsten Säulen des Projekts widerspiegeln. Alle Entscheidungen und Maßnahmen werden künftig darauf geprüft, ob sie auf die formulierte Vision einzahlen. Gegebenenfalls müssen sie angepasst oder ersetzt werden.

Im Anschluss widmeten wir uns dem Wie und damit den Werten. Hier sammelten wir Adjektive, die die Haltung und Arbeitsweise im Projekt repräsentieren. Es kristallisierten sich wiederum vier Kernwerte heraus, welche jeweils von ein bis drei weiteren verwandten Werten flankiert werden. Zu jedem Wert wurde ein Satz formuliert um die Bedeutung des Werts zu erläutern. Diese Werte sind künftig entscheidend bei der Art und Weise, wie Entscheidungen getroffen, miteinander gearbeitet und kommuniziert wird.


Workshopleiter: Axel Watzke, studiovorort

Am Architektur-Workshop nahmen neben den Besitzern und dem Architekten des Projekts auch ein externer Experte für betreutes Wohnen sowie die Prozessbegleitung teil. Der zweite Workshop baute auf den Ergebnissen des ersten auf: anhand der Vision/Mission des Projekts wurden ökologische, soziale und baukulturelle Aspekte zusammengetragen, die eine Rolle bei der Architekturplanung spielen. Dabei wurden die im Vorfeld entwickelten Personas mit ihren Nutzerbedürfnissen einbezogen. Ebenso die zuvor ermittelten Rahmenbedingungen für Betreutes und Senioren-Wohnen. Das Clustern in einzelne Themenbereiche diente als Vorstufe zur finalen Definition der Architektur-Leitplanken.


Workshopleitung: Julia Paaß, Netzwerk Zukunftsorte

Der Stakeholder-Workshop

… Inhalte kommen bald

Der Teilhabe-Workshop

… Inhalte kommen bald

Die Ergebnisse

Mission

1. Wir erproben neue und verlorengegangene Modelle der Kreislaufwirtschaft für die Transformation zu einem nachhaltigeren Wirtschaften.

2. Wir verbinden traditionelle und neue (digitale) Formen des Arbeitens für eine starke lokale Wertschöpfung mit hohen ökologischen Standards.

3. Wir erschaffen neue soziale und physische Räume und beleben damit unsere ländliche Region.

4. Wir gestalten eine zukunftsfähige Dorfgesellschaft für ein sinnstiftendes und fürsorgliches Zusammenleben.

Werte

Wir wollen mit unserem Tun Impulse für neue Entwicklungen in der Region setzen. Als Experimentierort testen wir uns voran, stoßen neue Handlungsweisen an und wollen damit zum Nachdenken und Nachmachen inspirieren.

Nebenwert: weitblickend
Wir wissen nicht, wie die Zukunft aussehen wird. Um trotzdem langfristig nachhaltig wirken zu können, nehmen wir stets auch künftige Anforderungen in den Blick.

Unser Handeln ist durch den Wunsch geleitet, Neues zu ermöglichen und entstehen zu lassen. Motivierten Menschen geben wir den Raum, ihre Ideen im Sinne der Vision kreativ und verantwortungsvoll umzusetzen.

Nebenwert: verantwortungsbewusst
Das Verantwortungsbewusstsein aller Mitwirkenden bildet das Fundament einer vertrauensvollen Zusammenarbeit zum wirkvollen, gemeinsamen Ausfüllen der Räume.

Nebenwert: offenporig
Die Ideen und Tatkraft anderer Menschen sind wesentlich für das Umsetzen der Vision sind. Dafür laden wir Menschen ein, sich aktiv zu beteiligen.

Nebenwert: vertrauensvoll
Unterstützenden begegnen wir mit Wohlwollen und Vertrauen, Herausforderungen und Hürden mit Zuversicht und Pragmatismus.

GB ist mit seiner Geschichte über viele Generationen in der Region verwurzelt. GB verfügt damit über ein Wurzelwerk, das ein Fundament für das Leben und Schaffen vieler kommender Generationen bildet.

Nebenwert: leidenschaftlich
Mit Begeisterung und vollem Einsatz verfolgen wir unsere Vision. Wir finden Freude und Erfüllung in unserem Tun.

Nebenwert: unternehmerisch
Im Sinne der Nachhaltigkeit muss sich unser Projekt finanziell tragen.

Nebenwert: zuversichtlich
Wir glauben fest an das Gelingen unserer Vision, auch wenn uns die Herausforderungen der Zukunft noch unbekannt sind.

Ärmel hochkrempeln, nicht allzu lange nachdenken, freudig loslegen und sich die Hände schmutzig machen. Anpacken bedeutet auch, sich gemeinsam "voranzutasten" und Fehler als willkommene Lernquelle zu sehen.

Nebenwert: fürsorglich
Ein fürsorgliches Miteinander bedeutet für uns ein umspannendes Netz. Wir betrachten die Bedürfnisse der (Hof-)Menschen als gleichwertig und bemühen uns, sie miteinander in Einklang zu bringen.

Nebenwert: familiär
GB ermöglicht persönliche, wohlwollende und inspirierende Bindungen.

Architektur Leitplanken

Dorf Gut Boltenhof versteht sich als Modellprojekt und Experiementierort für ein zeitgemäßes Verständnis von Baukultur als soziale, ökologische und ästhetische Praxis. Grundlage dieser Baukultur ist die ökologische, soziale und ökonomische Nachhaltigkeit, welche ein zukunftsfähiges Zusammenleben in der gebauten Umgebung hin ermöglicht.

Die Architekturplanung erfolgt ab sofort entlang der entwickelten Leitplanken. Sie sollen sicher stellen, dass das Projekt seinen Ansprüchen gerecht wird.

Förderung

Ein Projekt im Rahmen des Themenjahres »Baukultur leben – Kulturland Brandenburg 2023«

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Kulturland Brandenburg 2023 wird gefördert durch das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur sowie das Ministerium für Infrastruktur und Landesplanung des Landes Brandenburg.

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Mit freundlicher Unterstützung der brandenburgischen Sparkassen.

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Mit freundlicher Unterstützung der Investitionsbank des Landes Brandenburg.